Beteiligung über den Main-Kinzig-Kreis reicht Schönecks Grünen
Keine direkte Beteiligung am Energieversorger eam
Schöneck, den 24.07.2014. „Die eon Mitte AG, jetzt eam, ist seit Ende 2013 vollständig rekommunalisiert, sie befindet sich nun zu 100 Prozent im Besitz von zwölf Landkreisen und der Stadt Göttingen.“ So wollte Grünen-Kommunalpolitiker Wolfgang Seifried in der Sitzung der Gemeindevertretung seine Rede beginnen. Doch aus dem vorbereiteten Redemanuskript wurde nichts. Denn weniger als die Hälfte der gewählten Gemeindevertreter verlor sich am Donnerstag in der Büdesheimer SKV-Halle. Die Sitzung war nicht beschlussfähig und musste aufgelöst werden. Damit steht fest, dass zumindest die Gemeinde Schöneck nicht die Reihe der eam-Eigner erweitern wird.
Mit der Art und Weise des Zustandekommens ist Seifried zwar nicht zufrieden, mit dem Ergebnis aber durchaus. Denn aus Sicht der Schönecker Grünen macht es überhaupt keinen Sinn sich über zwei Schienen - die Gemeinde Schöneck und den Main-Kinzig-Kreis - an der eam zu beteiligen. Das aber ist das Ziel der Phase 2 des Transformationsprozesses, in der die 130 Städte und Gemeinden im Netzgebiet des Stromversorgers derzeit die Option haben, von den Landkreisen Anteile zu übernehmen. Seifrieds Redemanuskript dazu: „Eine eam mit 143 kommunalen Besitzern ist nur für karrierebewusste Bürgermeister, die mal Aufsichtsrat bei einem Energieversorger sein wollen oder für Kanzleien, deren Geschäft die Komplexität ist, eine bessere als eine eam mit 13 Besitzern.“ Kommunalpolitiker dagegen stünden in der Pflicht, die Verwaltung schlank und effizient zu erhalten.
Die Kosten in Höhe von ca. 25.000 Euro, die Schöneck für die Beratung durch die Kanzlei hätte aufbringen sollen, waren den Grünen Anlass gewesen, sich bereits vor der detaillierten Prüfung der Transaktionsbedingungen zu überlegen, ob denn eine Beteiligung grundsätzlich sinnvoll sei oder nicht. Das Ergebnis war im März ein Beschlussantrag in der Gemeindevertretung, dass sich Schöneck nicht an der eam beteiligen solle. Bei aller Skepsis wollte sich die Mehrheit der Gemeindevertretung jedoch noch nicht festlegen und kündigte lediglich den Vertrag mit der beratenden Kanzlei.
Ein Ausschusstermin am 14.07., bei dem zwei am Prozess beteiligte Bürgermeister und ein Mitarbeiter der eam von scheinbar nahezu risikofreien sieben Prozent Rendite schwärmten, führte bei den Vertretern von SPD und CDU zu einem Umdenken. Sie gingen sogar so weit, so kurz vor den Sommerferien noch eine Sondersitzung der Gemeindevertretung zu beschließen. Denn Voraussetzung dafür, überhaupt im Prozess bleiben zu können, war ein Vertragsabschluss mit der Kanzlei bis zum 25.07. Unter dem Zeitdruck unterlief ein Formfehler bei der Einladung, weshalb zur Sitzung am 22.07. die Gemeindevertreter zwar nahezu vollständig anwesend waren, aber unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt werden mussten. Doch damit nicht genug: Es wurde zuvor eine Eil-Einladung für eine erneute Sitzung am 24.07. überreicht. Diese war zwar förmlich korrekt, auf Grund der Kurzfristigkeit konnte jedoch weniger als die Hälfte der Gemeindevertreter teilnehmen, weshalb die Anwesenden wegen fehlender Beschlussfähigkeit erneut umsonst gekommen waren und Seifrieds Rede ungehalten blieb.

Manuskript der ungehaltenen Rede von Wolfgang Seifried
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die eon Mitte AG, jetzt eam, ist seit Ende 2013 vollständig rekommunalisiert, sie befindet sich nun zu 100 Prozent im Besitz von zwölf Landkreisen und der Stadt Göttingen. 12 Landräte und ein Oberbürgermeister sowie Hunderte von ehrenamtlichen Kreistagsabgeordneten und Stadtverordneten hatten sich hoffentlich gründlich informiert - zwei davon, Frau Dr. Neuer- Markmann und Herr Jung sitzen hier. Ordnerweise wurden von einer Anwaltskanzlei Verträge und Informationsmemoranden erarbeitet, auf deren Basis die Kommunalpolitiker die Entscheidung trafen, die Anteile der eon AG an der eam zu 100 Prozent zu übernehmen, vom Privatbesitz in die öffentliche Hand zu überführen.
Nun beschäftigen sich in einem zweiten Transaktionsschritt hessenweit 130 Bürgermeister und ihre Verwaltungen sowie Tausende von ehrenamtlichen Stadtverordneten und Gemeindevertretern mit ähnlichen, aber nicht gleichen Fragen. Denn es geht nicht mehr um den bereits vollzogenen Transfer der Anteile aus Privatbesitz in die öffentliche Hand, sondern um eine Umverteilung innerhalb der öffentlichen Hand. Wir sollten uns als Kommunalpolitiker, die über den Tellerrand hinausschauen und uns sowohl als Politiker und Bürger Schönecks als auch des Main-Kinzig-Kreises verstehen, nun zunächst fragen, ob dieser zweite Transaktionsschritt sinnvoll ist. Ob eine eam im Besitz von 131 Städten und Gemeinden sowie 12 Landkreisen besser und wirtschaftlicher ist als eine im Besitz von überschaubareren 12 Landkreisen und einer Stadt. Bei der Antwort hilft uns die in der Ausschusssitzung letzte Woche vorgetragene Motivation der eon AG, sich von der eam zu trennen: Zum Verkauf hatte sie demnach mit der eam jene Regionaltochter ausgeguckt, bei der noch Landkreise beteiligt waren, weil diese Aufsplittung eben die Unternehmensführung verkompliziert und die Gewinnaussichten schmälert. Und was sollen wir machen? Wir sollen das Konstrukt noch weiter verkomplizieren, indem noch 130 Kommunen mit ins Boot geholt werden.
Noch bevor es richtig los geht, merken wir jedoch, dass uns die Komplexität als kleine Kommune hoffnungslos überfordert. Im März hatten wir Grüne hier in der Gemeindevertretung beantragt, aus dem Prozess auszusteigen. Unserem Antrag wurde nur insoweit gefolgt, dass der Vertrag mit der  beratenden Kanzlei gekündigt wurde, um keine weiteren Kosten zu verursachen. Die Informationen, um zu einer endgültigen, fundierten Entscheidung zu kommen, wollte man sich von anderen mit der Materie befassten Kommunalpolitikern holen. Wenn ich die Äußerungen damals richtig interpretierte schien die Skepsis zu überwiegen. Ich freute mich, erschien mir die Kündigung des Vertrags doch als Rückzug auf Raten. Am 14.07. gab es in der Ausschusssitzung jedoch eine Überraschung: Die Ausführungen zweier optimistischer Bürgermeister und eines eam-Mitarbeiters sowie in Aussicht gestellte 7 bis 8 Prozent scheinbar risikofreie Rendite reichten bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder aus für eine veritable Kehrtwende. Denn um im Prozess zu bleiben, müsste bis zum 25.07. der Vertrag mit der Kanzlei wieder aufgenommen werden. Flugs wurde eine Sondersitzung der Gemeindevertretung für den 22.07. anberaumt, ein Sitzungstermin, der wenige Tage zuvor noch mangels Themen abgesagt worden war. Es darf getrost als Zufall bezeichnet werden, dass Schöneck noch die „Chance“ hat, im Prozess zu bleiben.
In der Eile wurde zur geplanten Sitzung am 22.07. nicht ordnungsgemäß eingeladen, weshalb die Beschlüsse anfechtbar gewesen wären und wir alle - wie wir hier sitzen - am Dienstag unverrichteter Dinge wieder nachhause gingen. Deshalb sitzen wir heute zwischen Suppe und Kartoffel erneut zusammen, in der Hoffnung, dass wir bis zur Bürgerversammlung um 20:00 Uhr zu einer qualifizierten Entscheidung kommen. Ich werfe niemandem vor, den Fehler bei der Einladung gemacht zu haben, Fehler passieren in solcher Eile nun mal. Ich halte es jedoch für verantwortungslos, diese Warnzeichen zu ignorieren und einfach zwei Tage später erneut zur Sitzung zu blasen!
Denn die Fehler hören ja nicht auf. Zwar haben wir verantwortungsvoll klingende Änderungsanträge von CDU und SPD auf dem Tisch liegen, die auf eine rechtzeitige und umfassende Information der Gemeindevertretung vor einer endgültigen Entscheidung pochen. An das naheliegend Notwendige hat aber offenbar niemand gedacht. Die Entscheidung heute kostet Geld! Und wenn etwas Geld kostet, dann hat der Betrag selbstverständlich in der Beschlussvorlage zu stehen. Ohne kann über die Vorlage nicht abgestimmt werden. Oder sollen wir denn heute einen Blanko-Scheck für die Kanzlei ausstellen? Die Rede ist von 25.000 €, jedoch hat keiner von uns einen Vertrag gesehen. Nicht besser, sondern noch schlimmer wird es dadurch, dass das Konstrukt offenbar bewusst so gewählt ist, dass das Beraterentgelt nicht im Haushalt auftauchen soll. Kommt die Beteiligung zustande, wird das Entgelt aus (hoffentlich) künftigen Gewinnen einbehalten. Kommt sie nicht zustande, wird das Entgelt von den Schöneck zustehenden Konzessionserträgen einbehalten. Jeder Buchhalter, der ein solches Verschleierungs- Konstrukt wählt, wird in einer Firma vollkommen zu Recht fristlos gekündigt!
Dies alles sollte eigentlich ausreichen, um sofort alle Aktivitäten bezüglich einer Beteiligung an der eam einzustellen. Unsere Gemeinde ist mit solchen nicht alltäglichen Prozessen nicht vertraut und damit überfordert. Wir Gemeindevertreter sollten uns zudem jeder für sich fragen, ob wir glauben, bis zur endgültigen Entscheidung die Transaktion zu verstehen und eine qualifizierte Entscheidung treffen zu können oder ob wir „nur“ unserem Bauchgefühl oder unseren Meinungsführern folgen.
Dabei kann man auch schon mal auf die falsche Fährte geraten. In der Ausschusssitzung wurde darüber gesprochen, dass die Transaktion von der kreditgebenden, risikobewussten Bank sicherlich schon gut geprüft worden sei. Das wurde als Indiz gewertet, dass der Deal gut und sicher sein muss. Dies ist zwar richtig, aber eben zunächst mal nur aus der Perspektive der Bank. Denn der Kredit wird durch eine Bürgschaft der Gemeinden gesichert. Das heißt, geht das Geschäft schief, hält sich die Bank an den Gemeinden schadlos.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
es macht keinen Sinn sich über zwei  Schienen, die Gemeinde Schöneck und den Main-Kinzig- Kreis, an der eam zu beteiligen. Eine eam mit 143 kommunalen Besitzern ist nur für karrierebewusste Bürgermeister, die mal Aufsichtsrat bei einem Energieversorger sein wollen oder für Kanzleien, deren Geschäft die Komplexität ist, eine bessere als eine eam mit 13 Besitzern. Wir als Kommunalpolitiker stehen in der Pflicht, die Verwaltung schlank und effizient zu erhalten. Und wir dürfen nicht zocken, sollten daher nur über Investitionen entscheiden, die wir auch verstehen. Seien Sie gewiss: Sieben bis acht Prozent Rendite gibt es nicht ohne Risiko, wie dieser Tage auch 75.000 Prokon-Anleger schmerzlich erfahren müssen.
Lassen Sie uns heute bitte diesen chaotischen Prozess beenden, lassen Sie uns die 25.000 Euro sparen, lassen Sie uns die Arbeitszeit unserer Bürgermeisterin und unserer Verwaltung für andere Dinge verwenden, ersparen wir anderen Bürgermeistern weitere Reisen nach Schöneck, um für diese Sache zu werben. Lassen Sie uns Gemeindevertreter heute zum letzten Mal  in dieser Angelegenheit beraten und folgen Sie unserem Antrag.