Rede zum Antrag in der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag,
den 12. Februar 2009
„Neubau Block 6 des Kohlekraftwerks Staudinger: Einwendung im
Raumordnungsverfahren“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
nach den Plänen der Firma E.ON soll 20 km von Schöneck entfernt, im Großkrotzenburger
Kohlekraftwerk Staudinger bis zum Jahr 2012 ein neuer Block 6 errichtet werden. Dieser Block 6
soll zwar mit fast 46 Prozent einen höheren elektrischen Wirkungsgrad haben als die
abzuschaltenden Blöcke 1-3. Da aber die produzierte Strommenge signifikant steigen soll, wird
sich der jährliche CO2-Ausstoß von 5 auf 8 Millionen Tonnen erhöhen.
Bis zum kommenden Montag läuft das Raumordnungsverfahren. Hier wird u.a. die
Übereinstimmung der Planungen mit dem Regionalplan Südhessen überprüft.
Es ist kein Zufall, dass bei den bzgl. der Energieversorgung formulierten Zielen des Regionalplans
hohe Übereinstimmung besteht mit der Resolution, die wir hier, in der Gemeinde Schöneck am
29.04.2008 mit großer Mehrheit verabschiedet haben. U.a. wird hier gefordert, dass neue
thermische Kraftwerke nur als Kraft-Wärmegekoppelte Anlagen und nur dort gebaut werden, wo
lokal oder regional der Absatz der erzeugten Wärme gewährleistet ist.
Dies ist bei den vorgelegten Planungen nicht der Fall!
Der E.ON-Gutachter Prognos verweist im Fachgutachten „Rationelle Energieverwendung und
Erneuerbare Energien“ darauf, dass mit Kraft-Wärme-Kopplung Gesamtwirkungsgrade von 90% zu
erreichen sind. Für Block 6 wird – unter Annahme optimaler Bedingungen - allerdings nur ein
Gesamtwirkungsgrad von bis zu 57% errechnet. Gegenüber hocheffizienten Anlagen bleiben bereits
unter Annahme dieser optimalen Bedingungen 33% Energie ungenutzt. Die Annahmen sind jedoch
zudem aus folgenden Gründen nicht einmal im Ansatz realistisch:
- der Gesamtwirkungsgrad von 57% ließe sich nur dann erreichen, wenn die Anlage
wärmegeführt, d.h. abhängig vom nachgefragten Wärmebedarf, gefahren würde und nicht –
wie vorgesehen – als Grundlastkraftwerk, d.h. stromgeführt.
- ob die Auskopplung von „bis zu“ 300 MW jemals erreicht werden wird, ist angesichts der
Zweifel der Gutachter, ob und unter welchen Voraussetzungen ein wirtschaftlich sinnvoller
Aufbau eines Fernwärmenetzes, das den gesamten Untermain umfasst, stattfinden kann
absolut fraglich.
- verstärkt werden diese Fragezeichen durch die Tatsache, dass angesichts steigender
Anstrengungen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung sowie
Effizienzsteigerungen in der Produktion der Wärmebedarf mittelfristig deutlich zurückgehen
wird.
Ein Vergleich führt die Unmöglichkeit der signifikanten KWK-Nutzung vor Augen: um die
zusätzlichen 3 Millionen Tonnen CO2 auszugleichen, müssten diese an anderer Stelle – bei der
Wärmeerzeugung – eingespart werden. Dazu müssten 300.000 Durchschnittshaushalte ans
Fernwärmenetz angeschlossen werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Investition in den Block 6 ist für mindestens 40 Jahre angelegt. Wir tun also gut daran, eine
gedankliche Zeitreise ins Jahr 2050 zu unternehmen und uns – oder unseren Kindern - aus dieser
Perspektive einige Fragen zu stellen:
- werden wir im Jahr 2050 rückblickend sagen, dass der Bau eine kluge Entscheidung war?
- wird der vage in Aussicht gestellte Gesamtwirkungsgrad von 57 Prozent erreicht worden
sein?
- wird die für „ab 2020“ vage in Aussicht gestellte Produktionsreife für CCS (Abscheidung
und Speicherung von CO2) für das Kraftwerk Staudinger nachgerüstet worden sein und
werden die CO2-Speicher „dicht“ gewesen sein?
- wird die preiswerte südafrikanische Kohle über 40 Jahre zuverlässig geliefert worden sein?
- werden uns Klimawandel und Rohstoffverfügbarkeit zwischen 2012 und 2050 zu viel
drastischeren Einschnitten gezwungen haben, als sie 2009 mit einem konsequenten
Umstieg auf regenerative Energien möglich gewesen wären?
- wird vielleicht E-ON als „General Motors der Energiebranche“ in die Geschichte
eingegangen sein und zu lange unzeitgemäße Ware produziert haben?
Wir können vermeiden, im Jahr 2050 eine Fehlentscheidung des Jahres 2009 bereuen zu müssen.
Ich bitte Sie dazu um Zustimmung zum Einwand gegen den Bau von Block 6, vielen Dank!
Wolfgang Seifried - es gilt das gesprochene Wort