12.02.2009: Neubau Block 6 des Kohlekraftwerks Staudinger - Einwendung im Raumordnungsverfahren

Abstimmung:
zugestimmt: 18 Stimmen dafür, 16 Stimmen dagegen, 1 Enthaltung

Beschlussvorschlag:
Die Gemeindevertretung Schöneck wendet im laufenden Raumordnungsverfahren zum Bau des Block 6 im Kraftwerk Staudinger bei Großkrotzenburg ein, dass das Vorhaben ökologisch nachteilig ist und spricht sich gegen die Planungen aus.

Begründung:
Die Gemeindevertretung hat in ihrer Sitzung am 29.04.2008 die Unterzeichnung einer Resolution des Klimabündnisses, dessen Mitglied die Gemeinde Schöneck ist, beschlossen. Zwei zentrale Forderungen der Resolution lauten:
1.  "Neue thermische Kraftwerke dürfen nur als Kraft-Wärmegekoppelte Anlagen und nur dort gebaut werden, wo lokal oder regional der Absatz der erzeugten Wärme gewährleistet ist."
2.  "Neue Stromerzeugungsanlagen sollten zunehmend aus erneuerbaren Energien gespeist werden, z.B. aus Windkraftanlagen, Biomasseheizkraftwerken, aus Wasserkraft und Solarenergie."
Beide Forderungen werden durch den von E.ON geplanten Block 6 nicht erfüllt. Der regionale Absatz der erzeugten Wärme ist nicht gewährleistet. Der von der Bundesregierung, vom Klimabündnis und von Schöneck angestrebte Ausbau von Strom aus erneuerbaren Energien wird durch die Investitionsdauer von mindestens 40 Jahren behindert, da der regenerativ erzeugte Strom immer gegen den - vermeintlich billigen - Kohlestrom konkurrieren muss.
Ergebnisse der von E.ON eingereichten Unterlagen
Der E.ON-Gutachter Prognos verweist im Fachgutachten "Rationelle Energieverwendung und Erneuerbare Energien" darauf, dass mit Kraft-Wärme-Kopplung Gesamtwirkungsgrade von 90% zu erreichen sind (S. 92). Für Block 6 wird - unter Annahme optimaler Bedingungen - allerdings nur ein Gesamtwirkungsgrad von bis zu 57% errechnet. Gegenüber hocheffizienten Anlagen bleiben bereits unter Annahme dieser optimalen Bedingungen 33% Energie ungenutzt. Die Annahmen sind jedoch aus folgenden Gründen nicht einmal im Ansatz realistisch:
1.  Stromgeführt statt wärmegeführt: der Gesamtwirkungsgrad von 57% ließe sich nur dann erreichen, wenn die Anlage wärmegeführt, d.h. abhängig vom nachgefragten Wärmebedarf, gefahren würde und nicht - wie vorgesehen - als Grundlastkraftwerk, d.h. stromgeführt.
2.  Schrittweiser Ausbau fraglich: weiter zeigt die Fernwärmestudie von E.ON, dass der Ausbau der Fernwärmeversorgung nur schrittweise erfolgen könne und die Fernwärmeauskopplung von "bis zu" 300 MW den am Ende erreichbaren Maximalwert darstellt. So könne "ein Konzept zunächst den schrittweisen Ausbau von Großkrotzenburg bis nach Kleinostheim vorsehen, um zu einem späteren Zeitpunkt den weiteren Verlauf zu erschließen" (S. 50). Somit wird auch der genannte Wirkungsgrad nicht von Beginn an erreicht werden. Ob er jemals erreicht werden wird, ist angesichts der Zweifel der Gutachter, ob und unter welchen Voraussetzungen ein wirtschaftlich sinnvoller Aufbau eines Fernwärmenetzes, das den gesamten Untermain umfasst, stattfinden kann (S. 68), absolut fraglich.
3.  Wärmebedarf zurückgehend: verstärkt werden diese Fragezeichen durch die Tatsache, dass angesichts steigender Anstrengungen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung sowie Effizienzsteigerungen in der Produktion der Wärmebedarf mittelfristig deutlich zurückgehen wird.
Fazit: Block 6 bietet keine ökologischen Vorteile - im Gegenteil
Der Gesamtwirkungsgrad von bis zu 57% und alle darauf basierenden Einschätzungen zur ökologischen Vorteilhaftigkeit des Baus von Block 6 sind rein theoretischer Natur. Der lokale oder regionale Absatz der erzeugten Wärme ist nicht ansatzweise gewährleistet. Insofern müsste bei allen von E.ON oder im Auftrag von E.ON erstellten Rechnungen zur ökologischen Vorteilhaftigkeit statt eines Gesamtwirkungsgrades von 57% der elektrische Wirkungsgrad von 46% angesetzt werden, der den Vergleich verschiedener Alternativen deutlich von der geplanten Steinkohlevariante weg verschieben würde.
Der Block 6 bietet keine ökologischen Vorteile, sondern gefährdet die Gesundheit der Bürger der Region - auch Schönecks. Staudinger ist Hessens größter Emittent an krebserregenden Feinstäuben. In den Raumordnungsunterlagen prognostiziert der TÜV Nord jährliche Gesamtemissionen beim Betrieb der Blöcke 4 bis 6 von 5.000 Tonnen Stickoxiden, 4.000 Tonnen Schwefeldioxiden, 438 Tonnen Staub, 700 Kilogramm Quecksilber und anderer Schadstoffe. 8 statt 5 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr sind zudem am Standort Staudinger zu erwarten.
Die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren sind auf der Website des Regierungspräsidiums Darmstadt einsehbar: www.rp-darmstadt-hessen.de.