Rede zum Schönecker Haushalt 2010/2011
Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir befinden uns in einer Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Wir hoffen, dass das Schlimmste der Wirtschaftskrise überwunden ist und das Konjunkturbarometer weiter ansteigt. Wir bangen, dass dem nicht so ist und dass uns noch die eine oder andere Folge der Krise einholt.
Die Wirtschaftskrise geht – die Haushaltslöcher bleiben
Wenn unsere Hoffnung zutrifft, dass die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt überschritten hat, so können wir doch sicher sein, dass die Probleme der öffentlichen Haushalte uns noch lange begleiten werden. Die Steuerausfälle, die Rettung von Banken und die staatlichen Konjunkturprogramme haben Spuren in den Haushalten auf allen Ebenen hinterlassen. Selbst wenn die Steuereinnahmen sich wieder auf dem Vorkrisen-Niveau einpendeln sollten: Die Schulden müssen zurückbezahlt werden.
Ich denke, bezüglich dieser  Diagnose sind wir einer Meinung. Spannend ist aber die Frage, auf welche Therapie wir uns einigen können. Glauben wir an die Wunderpille, die alles wieder heile macht? Oder müssen wir als Patient die Therapie aktiv unterstützen und gegebenenfalls auch die eine oder andere schmerzhafte Behandlung über uns ergehen lassen?
Wir Grünen sind sicher, dass es ohne letzteres nicht gehen wird, und wir sind davon überzeugt, dass jetzt der richtige Moment ist, die Therapie zu beginnen. Wir wissen auch, dass wir allein und aus eigener Kraft kaum wieder zu einem Haushaltsüberschuss kommen werden. Und selbst dann werden wir einige Zeit benötigen, um die Defizite in den Ergebnishaushalten der Jahre 2009 bis 2011 auszugleichen.
Wir alle müssen uns dazu einschränken. Wir müssen wünschenswerte – und wichtige - Projekte verschieben und auch die Bürger mit einbeziehen. Herr Bürgermeister Stüve, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede das Parlament in die Pflicht genommen, „einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Haushaltssituation zu leisten“. Wir Grüne sind dazu bereit.
Wie Sie alle wissen, halten wir ein Jugendzentrum in Schöneck für eine unabdingbare Zukunftsinvestition. Für Heranwachsende im Alter bis zu ca. 12 Jahren bietet Schöneck zwar bereits ein gutes, altersspezifisches Betreuungsangebot. Ab 13 jedoch, in der für das weitere Leben prägenden Zeit der Pubertät, lassen wir als Gemeinde die Jugendlichen bisher allein. Wir Grüne haben akzeptiert, dass derzeit die Mittel nicht verfügbar sind, daran kurzfristig etwas zu ändern. Doch wir haben das Projekt nicht aufgegeben.
Im Haushaltsentwurf sind etliche weitere Projekte und Positionen enthalten, die sich Schöneck in dieser Zeit auch nicht leisten kann. Wir haben daher ein Paket geschnürt, das über die Jahre 2010 und 2011 Verbesserungen in Höhe von 450 T€ bringt. Enthalten sind Ausgabenkürzungen, aber auch Gebührenerhöhungen.
Das Grüne Sparpaket – Wofür wir unsere Kinder lieber nicht anpumpen wollen
Bitte richtig verstehen: wir sagen nicht, dass die zu kürzenden Maßnahmen nicht sinnvoll wären. Wir müssen uns aber fragen, ob wir sie uns bei einem Haushaltsdefizit von 1,8 Millionen pro Jahr leisten können. Oder anders: wollen wir sie auf Kredit finanzieren? Oder nochmal anders. Da wir nicht wissen, wie wir den Kredit mittelfristig wieder tilgen können: Wollen wir unsere Kinder dafür anpumpen oder verschieben wir besser auf später?
    • Wollen wir unsere Kinder um 55 T€ anpumpen für die ansprechende Gestaltung des Büdesheimer Rathausvorplatzes?
    • Wollen wir unsere Kinder um 65 T€ anpumpen für den Schallschutz am Kilianstädter Bürgertreff, damit wir laute Parties feiern und trotzdem alle anderen ruhig schlafen können?
    • Wollen wir unsere Kinder um 30 T€ anpumpen für den Ersatz des ungefähr 10. Transportfahrzeugs im Bauhof bei ca. 15 Mitarbeitern?
    • Wollen wir unsere Kinder um 115 T€ anpumpen für einen schönen Spielplatz im Büdesheimer Baugebiet „Auf dem Wald“? Oder akzeptieren unsere Kinder es nicht auch eine Nummer kleiner?
    • Wollen wir unsere Kinder anpumpen für eine Beleuchtungsanlage, eine Gesangsanlage oder digitale Schachuhren?
Ehrlich gesagt: Wir Grüne wollen dafür unsere Kinder nicht um Geld bitten.
Lassen Sie uns nach der Ausgabenseite einen Blick auf die Einnahmenseite werfen.
Bei unseren Friedhöfen haben wir heute einen Kostendeckungsgrad von nur ca. 60 Prozent. Die Deckungslücke finanzieren wir über neue Schulden. Das können wir uns nicht länger erlauben und wollen daher die Gebühren anheben. Erwarteter Effekt: ca. 90 T€ pro Jahr.
Ein spezieller Fall ist die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Hortgebühren um 20 €. Der Antrag greift die Idee einer Berliner Elterninitiative auf. „Mehr Geld für Kinder – nicht mehr Kindergeld“ ist deren Motto. Die Unterstützer spenden ihre 20 € Kindergelderhöhung aus dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ an klamme Bildungsinstitutionen. Auch den Schönecker Betreuungseinrichtungen fehlt Geld. Unter anderem weil die Bundesregierung zur Finanzierung ihrer Wohltaten über die Länder in die Kassen der Kommunen greift – allein in Schöneck wird das 285 T€ pro Jahr ausmachen: auch zu Lasten unserer freiwilligen Leistungen bei der Kinderbetreuung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir diesen Zusammenhang erklären und die Erhöhung nicht als „Eltern-Abzocke“ brandmarken, bin ich überzeugt, dass wir auf die Zustimmung der Eltern stoßen werden – wenn auch mit Zähneknirschen.
Wofür wir unsere Kinder leider anpumpen müssen: Klimaschutz
Zum Thema Klimaschutz: Leider sind wir Menschen offenbar so gepolt , dass wir Probleme, die scheinbar noch keine unmittelbar wahrnehmbaren Auswirkungen auf uns selbst haben, gerne verdrängen. Wir empören uns kurz über das skandalöse Scheitern des Kopenhager Klimagipfels und gehen dann zum Alltag über. Es wird ja schon gut gehen.
Eben nicht!
Wir müssen – nach mehreren vergeblichen Anläufen – daher in diesem Jahr 15 T€ in die Hand nehmen (der Bund gibt mindestens die gleiche  Summe nochmals hinzu), um in einer Studie zu ermitteln, wo wir in Schöneck am effektivsten Maßnahmen für den Klimaschutz umsetzen können. Wir Grüne sind sicher: Würden unsere Kinder heute darüber entscheiden, so würden sie dieser Studie zustimmen.
Verantwortung für den Haushalt übernehmen – heute
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Gemeindevorstand hat in seinen Haushaltsentwurf bereits einige Sparmaßnahmen eingearbeitet und ein Konsolidierungsprogramm vorgelegt. Wir Grüne haben ein zusätzliches Sparpaket geschnürt und in harten, aber fairen Verhandlungen mit unseren Koalitionspartnern aus der SPD um einen Kompromiss gerungen. An einigen Stellen haben wir Grüne nachgegeben. Zum Beispiel war unser Sparvorschlag bei der Straßeninstandhaltung in Anbetracht der Schäden nach dem harten Winter zu weit gegangen. Wir haben daher unseren Kürzungsvorschlag für 2010 zurückgezogen. An anderen Stellen hat die SPD nachgegeben. 
Bis zuletzt haben wir über die geplante Umgestaltung des Rathausvorplatzes in Büdesheim verhandelt. Ein Investor plant die Bebauung der Brachfläche nördlich des Rathauses. Diese – zweifellos gute - Gelegenheit soll gemäß Haushaltsenwurf genutzt werden, um den Zugang zum Rathaus barrierefrei zu gestalten und den Vorplatz optisch aufzuwerten.
Ich zitiere aber aus dem Konsolidierungsprogramm: „Wünschenswerte Investitionsmaßnahmen wurden nicht für die Haushalte 2010/2011 angemeldet. Eingeplant sind nur nicht aufschiebbare Maßnahmen sowie Maßnahmen, die durch das Konjunkturpaket ... finanziert werden konnten.“
35 T€ der angesetzten 90 T€ werden für den barrierefreien Zugang benötigt. Der Rest fällt – ich muss es an dieser Stelle deutlich sagen – unter die Rubrik „wünschenswert“. Der im Haupt- und Finanzausschuss beschlossene Sperrvermerk versucht, die Entscheidung darüber zu vertagen. Doch heute stimmen wir mit dem Haushalt politisch ab, wofür wir Geld in 2010 und 2011 einsetzen wollen – und wofür nicht.
Meine Damen und Herren, wir Grüne haben in diesem Punkt unsere Entscheidung getroffen und werden dem Haushalt dann zustimmen, wenn auch hier mit dem Sparen ernst gemacht wird.

Wolfgang Seifried
Fraktionsvorsitzender
Es gilt das gesprochene Wort