Ein grünes Wochenende in Berlin
"Solidarische Modernisierung und Ökologische Verantwortung" - unter diesem Motto steht das
Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bundestagswahl am 18. September, über
das in Berlin vom 9. bis 10. Juli abgestimmt werden sollte. Und ökologisch war bereits der Start in
dieses arbeitsreiche Wochenende: Mit dem ICE ging es für uns Deligierte des Main- Kinzig-
Kreises (Matthias Heidrich, Reiner Bousonville und Claudia Rixecker) am Freitag von Frankfurt
nach Berlin. Dort angekommen war bereits am Abend ein Arbeitstreffen der Hessischen Grünen
zu absolvieren. Im Haus der Demokratie und Menschenrechte wurde unter anderem heftig über
das Für und Wider einer Mehrwertsteuererhöhung diskutiert. Man bekam einen ersten Eindruck,
wie sich die Deligiertenkonferenz gestalten würde: durchaus streitbar. Schön, dass es das bei den
Grünen noch gibt.
Am nächsten Morgen ging es per Straßenbahn vom Hotel am Prenzlauer Berg zum Velodrom.
Bereits der Weg von der Haltestelle zum Eingang der Radsporthalle stand ganz unter dem Motto:
Der Sommer wird grün! Ein grüner Teppich wies den Deligierten den Weg. In regelmäßigen
Abständen wurde vor „frischen Ideen gewarnt. Nachdem wir die Sicherheitskontrollen passiert
hatten, konnten wir uns mit Material bewaffnen: Neben den Bergen von Papier, die uns bereits zu
Hause erreicht hatten, warteten im Foyer weitere Stapel auf uns. Eine Präambel und sieben
Kapitel hatte der Bundesvorstand als Wahlprogramm vorgeschlagen. Die Basis hatte dazu rund
800 Änderungsanträge eingebracht, über die abgestimmt werden musste.
Entgegen meinen Befürchtungen, aufgrund der Vielzahl der Änderungsanträge die nächsten zwei
Wochen anstatt zwei Tage in Berlin zu verbringen, schien die Einhaltung des Zeitplans gesichert.
Der Vorstand konnte sich mit den meisten Antragstellern einigen. Nur noch wenige Anträge
wurden den Deligierten zur Abstimmung vorgelegt. Als Einstieg gedachten wir der Toten und
Verletzten des Attentates in London vom 7. Juli. Dieser Terrorakt überschattete die ganze
Konferenz. Partys verboten sich von selbst. Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen in
Deutschland, besonders Berlin, waren unser ständiger Begleiter.
Im Anschluss an die Schweigeminute wurde lebendig und ausführlich diskutiert. Recht turbulent
verlief bereits die erste Abstimmung, in welcher die urgrüne Einrichtung einer Doppelspitze
behandelt wurde. Soll Joschka Fischer alleiniger Spitzenkandidat bleiben? Oder soll ihm eine Frau
zur Seite stehen? Pro und Contra wurde von sehr guten Rednerinnen und Rednern verteidigt.
Selbst wer mit einer eindeutigen Haltung angereist war, kam ins Grübeln. Die anschließende
Entscheidung für Joschka als grünen Frontmann war knapp und wurde umso mehr bejubelt.
Diejenigen, die dagegen gestimmt hatten, waren großartige Zweite. Schließlich ist der Beschluss
demokratisch gefällt worden.
So verging der Samstag mit einer Vielzahl von spannenden Debatten. Zwischendurch erholten
wir uns durch einen Plausch beim Kaffee oder ein gemeinsames Mittagessen. Man traf alte
Bekannte. Und neue. Sehr interessant waren auch die Infostände der grünen Jugend und der
Heinrich-Böll-Stiftung. Die Presse war nicht nur durch Journalisten, sondern auch durch ein
breites Tageszeitungs- und Magazinangebot vertreten. Der Deutschlandfunk berichtete stündlich
per Pressespiegel über die Geschehnisse in Berlin und aller Welt. Zum Beispiel auch über die
Tour de France, welcher wir durch unsere Tagung in einer Radsporthalle ein Stück weit
verbunden waren. Kurz: Über Langeweile konnten wir bestimmt nicht klagen.
Nach zwölf Stunden Deligiertendasein waren wir rechtschaffen müde und verließen das
Velodrom. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch einige harte Parteifreundinnen und freunde, die
tapfer die letzten Abstimmungspunkte der Tagesordnung abarbeiteten. Insgesamt dauerte der
erste Tag bis Mitternacht.
Nach einer kurzen Nacht ging es Sonntag Vormittag weiter. Entgegen den zwei vorherigen
Tagen, war in Berlin mittlerweile das schönste Sommerwetter. Quasi als Belohnung dafür, dass
wir grüne Deligierte so fleissig waren. Nicht nur das Wetter motivierte uns für den kommenden
Wahlkampf. Mit einem fulminanten Abschluss mit Reggaemusik wurden wir mit dem Gefühl
nach Hause entlassen, dass diese Partei alles andere als auf dem absteigenden Ast ist. Wir
standen mit der Schlussabstimmung "geschlossen und entschlossen" hinter unserem Programm,
wie es Joschka Fischer formulierte. "Jetzt kommt es darauf an, dass das Programm nicht auf dem
Papier bleibt!", sagte er zum Abschluss der Veranstaltung unter Beifall. "Wir wollen stärker
werden bei den Bundestagswahlen, und es wird bei dieser Wahl entscheidend darauf ankommen,
wie wir Grüne abschneiden." Mit dem Programm starten die Grünen in einen Sommerwahlkampf
unter dem Motto: Frische Ideen für Arbeit und Umwelt, Gerechtigkeit und Toleranz! Zum
Spitzenteam gehören neben Spitzenkandidat Joschka Fischer die Fraktionsvorsitzenden Krista
Sager und Katrin Göring Eckardt, Verbraucherschutzministerin Renate Künast,
Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der erste Parlamentarische Geschäftsführer der grünen
Bundestagsfraktion Volker Beck, die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer,
sowie die Politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke an. Grüner Wahlkampfmanager ist
der Bundestagsabgeordnete Fritz Kuhn.
Mein Fazit: Anstrengend und beeindruckend zugleich. Bei der nächsten
Bundesdeligiertenkonferenz bin ich auf jeden Fall wieder dabei.
Claudia Rixecker