Was macht den Unterschied? Interview mit den Grünen Kandidaten für die Gemeindevertretung Wolfgang Seifried (Platz 2) und Marina Geisler (Platz 3).

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Marina Geisler ist Mitglied des Gemeindevorstands, Wolfgang Seifried ist Vorsitzender des Ausschuss für Bauen, Umwelt, Verkehr, Energie und Klimaschutz. Beide stellen sich wieder zur Wahl und berichten über die vergangenen fünf Jahre in der Schönecker Gemeindepolitik. Die Fragen stellt Rüdiger Klaas, der am 6. März erstmals für die Gemeindevertretung kandidiert.

Frage: Es scheint große Harmonie in der Schönecker Gemeindepolitik zu geben, ein durchaus kritisches Großprojekt wie der Verkauf des Alten Schlosses in Büdesheim wird gemeinschaftlich von CDU, SPD und Grünen getragen. Spötter sprechen schon von einer GaGroKo, einer ganz großen Koalition in Schöneck. Haben sich die Unterschiede zwischen den Fraktionen abgeschliffen?
Marina Geisler: Harmonie herrscht jedenfalls insofern, dass die Akteure respektvoll miteinander umgehen, auch bei kontroversen Diskussionen in der Regel sachlich bleiben und auf persönliche Angriffe verzichten. Alle Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen arbeiten ehrenamtlich und wollen das erreichen, was sie jeweils für das Beste für das Gemeinwohl halten. Und das wissen wir voneinander und respektieren unterschiedliche Positionen. Insofern: Die demokratische Kultur in Schöneck halte ich für gut.
Wolfgang Seifried: Das führt dann natürlich manchmal dazu, dass Unterschiede in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen werden können. Das wäre sicher eher der Fall, wenn wir immer streiten würden wie die Kesselflicker. In der Sache wird jedoch durchaus hart gerungen.
Frage:  Zurück zum Alten Schloss: Eine Bürgerinitiative hat sich dagegen formiert, ein Verein wurde gegründet. Trotzdem habt ihr mit CDU und SPD für den Verkauf gestimmt. Warum?
WS: Die Bürgerinitiative hat sogar nicht nur gemeckert, sondern konstruktiv ein alternatives Konzept vorgelegt. Solches bürgerschaftliches Engagement ist lobenswert. Es wäre mit Blick auf die Kommunalwahl vielleicht einfacher gewesen, diesem Konzept zuzustimmen. Gerade von uns Grünen erwarten manche Menschen eben Widerstand und Bürgernähe. Aber wir haben an der Sache orientiert entschieden, unabhängig davon, ob das Konzept von der Verwaltung, anderen Parteien oder aus der Bürgerschaft kommt.
MG: Unbestritten ist, dass am Schloss aktuell ein hoher, durch Gutachten belegter, akuter  Sanierungsbedarf besteht. Wir glauben, dass es damit nicht getan ist und dass auf Dauer der Erhalt eines so alten, denkmalgeschützten Gebäudes für den Eigentümer sehr teuer ist - für die Gemeinde zu teuer. Aus diesem Grund können wir dem Konzept der Bürger nicht folgen, denn hier würde zwar in einem verschachtelten Konstrukt eine gemeinnützige GmbH das Gebäude pachten und ein Verein die Bewirtschaftung übernehmen. Eigentümer des Gebäudes und aller Risiken bliebe aber die Gemeinde – und damit alle Bürger.
WS: Am Neuen Schloss gegenüber kann man beobachten, dass dort häufig Gerüste stehen. Jedesmal, wenn ich von Kilianstädten nach Büdesheim fahre, bin ich dann erleichtert, dass dieses Schloss nicht der Gemeinde gehört und die Reparaturen nicht unseren Haushalt belasten. Ein Schloss zu besitzen ist Luxus und für die Gemeinde Schöneck auf Dauer nicht zu stemmen. Umso besser ist es, wenn sich privates Kapital findet, das sich diesen Luxus gönnen mag und kann und das Alte Schloss so in seiner Substanz erhalten werden kann. Private Wohnungen halte ich insofern für die geeignetste Nutzungsform des Schlosses, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die öffentliche Nutzung des Schlosses bislang eher spärlich war und für fast alle Einrichtungen ein adäquater Ersatz gefunden werden konnte. Im Übrigen bleibt das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich: Im Erdgeschoss wird es einen Gastronomiebereich geben, der auch für Feierlichkeiten oder kulturelle Zwecke angemietet werden kann. Lediglich beim Jugendclub und der Bücherei bin ich noch nicht zufrieden und möchte, dass wir hier noch nachbessern.
Frage: Auch beim Klimaschutz scheint es doch Übereinstimmungen mit den anderen Parteien zu geben, oder?
MG: In Teilen ja, nachdem die ersten sieben Windkraftanlagen in der vorhergehenden Wahlperiode von CDU und FDP noch heftig bekämpft wurden, stimmte den zwei weiteren Anlagen, die 2013 errichtet wurden neben SPD und Grünen auch die CDU zu. Lediglich FDP und FWG waren noch nicht überzeugt. Auch ein Klimaschutzkonzept wurde im Jahr 2012 in der gleichen Konstellation verabschiedet. Bis 2030, so die Vereinbarung, will Schöneck CO2-neutral sein, so steht es auch heute noch auf der Homepage der Gemeinde.
WS: Bei der Umsetzung des Klimaschutzes im politischen Alltag hapert es aber gewaltig. Beispielsweise beim Neubau von Häusern: Hier wird deren Energiebedarf über die gesamte Nutzungszeit – das heißt, hoffentlich über mehr als 50 Jahre - festgelegt. Das ist später kaum korrigierbar. Deswegen ist es wichtig, beim Bau hohe Standards zu setzen oder zu fördern. In unserer Koalition mit der SPD konnten wir dies für das Büdesheimer Baugebiet Auf dem Wald im Jahr 2006 noch vereinbaren. Schon 2012 spielte das jedoch keine Rolle mehr, die restlichen Grundstücke wurden zum Einheitspreis verscherbelt. Gleiches gilt ganz aktuell für die gemeindlichen Grundstücke im Hanauer Pfad. Unsere Anträge für eine energieeffiziente Bauweise konnten sich nicht durchsetzen. Es wird verkauft nach dem Motto „alles muss raus“.
MG: In der kommenden Wahlperiode sollen voraussichtlich neue Baugebiete erschlossen werden. Da müssen wir wieder dran bleiben.
Frage: Um welche Baugebiete geht es und wie habt ihr euch bislang dazu gestellt?
MG: Zunächst geht es um die Baulücke in der Dresdener Straße in Kilianstädten, hinter der Feuerwehr. Im Grundsatz begrüßen wir Grünen diese Maßnahme. Innenentwicklung, Verdichtung der bestehenden Bebauung: So lässt sich der für den Wohnraum benötigte Flächenbedarf auf ein Minimum beschränken, da keine neuen Erschließungsstraßen gebaut werden müssen.
WS: Allerdings hatten wir vorgeschlagen, direkt angrenzend zur Feuerwehr einen kleinen Streifen freizulassen. Dies wäre Voraussetzung für eine mögliche Feuerwehrerweiterung, die wiederum Voraussetzung wäre, um gegebenenfalls eines Tages die Ortsteilfeuerwehren aus Kostengründen an einem Standort zentralisieren zu können. Dann könnte nämlich das Gebäude aufgestockt werden, müsste aber von hinten befahrbar sein. Das war beim Bau des Gebäudes von den damaligen Entscheidungsträgern bereits weitsichtig berücksichtigt worden. Soviel Weitsicht ist heute nicht mehr, jetzt werden diese Zukunftsoptionen im wahrsten Sinne des Wortes verbaut!
MG: Siedlungserweiterungen in Kilianstädten-Süd oder Büdesheim-West haben wir im aktuell gültigen regionalen Flächennutzungsplan langfristig zugestimmt, da im Ballungsgebiet Rhein-Main weiterer Wohnraum benötigt wird. Voraussetzung vor einer Realisierung ist für uns aber, dass vorher die Potentiale zur Innenentwicklung genutzt wurden. Denn ansonsten konterkariert die Außenentwicklung alle innerörtlichen Bemühungen: Auf der grünen Wiese zu bauen ist nun mal einfacher. Und wenn es dort doch zu Baugebietsausweisungen kommen soll, müssen wir dort auf die ökologischen Standards achten. Das macht außer uns Grünen sonst keiner!
Frage: Ein Dauerbrenner ist das Thema Kinderbetreuung für alle Altersklassen, von U3 bis zu Grundschulkindern. Wie sieht es in Schöneck aus?
WS: Wir haben hier ein Problem mit den geteilten Zuständigkeiten zwischen dem Kreis als Schulträger und der Gemeinde als Verantwortlicher für die Betreuung von Kindern bis zum Alter von sechs Jahren. Bereits 2011 konnten wir zwar einen Grundsatzbeschluss erreichen, dass die Gemeinde Schöneck die Schönecker Schulen auf dem Weg zu Ganztagsschulen unterstützt (Anmerkung: Inzwischen verwenden wir ausschließlich den Begriff „Schule mit Ganztagsangebot“, um klar zu machen, dass es um ein für die Kinder freiwilliges Angebot handelt). Der entscheidende Absatz wurde aber bereits damals von unseren politischen Wettbewerbern aus dem Beschlusstext gestrichen. Wir wollten nämlich dem Kreis, der genauso klamm ist wie die Gemeinde, die bei der heutigen Hort- und Schülerbetreuung eingesparten Finanzmittel zur Unterstützung anbieten, wenn die Schulen zu Ganztagsschulen werden.
MG: Die Friedrich-Ebert-Schule in Kilianstädten hat sich nun dennoch auf den Weg gemacht, eine tolle Leistung aller Beteiligten, auch wenn es offenbar zu Beginn noch etwas hakt. Die Sterntalerschule in Büdesheim hatte sich 2014 unter anderem mit Verweis auf die fehlenden räumlichen Voraussetzungen dagegen entschieden, einen Antrag für die Aufnahme in das Ganztagsangebot des Landes zu stellen. Als Gemeinde sind wir gerade im Begriff, wieder mehrere Chancen auszulassen, wie wir hier unterstützen könnten, wenn wir unsere Infrastrukturvorhaben mit dem Kreis synchronisieren würden. Wenn wir anstatt - wie aktuell im Haushalt geplant – 1,65 Millionen Euro für einen U3-Neubau in Kilianstädten auszugeben, bauliche Erweiterungen an der Sterntalerschule finanziell unterstützen würden, dann könnten die ca. 50 Hort-Kinder aus der Kita Kirchgasse künftig an der Schule betreut werden und in der Kita würde Platz für U3-Kinder frei. Sowohl U3- als auch Hort- Kinder hätten davon einen Nutzen.
WS: Unser diesbezüglicher Änderungsantrag wurde aber leider im gerade verabschiedeten Haushalt nicht angenommen. Ebensowenig wie unser Vorschlag, im Zuge des Schlossverkaufs die Bücherei an die – auszubauende - Sterntalerschule zu verlagern, anstatt wie derzeit vorgesehen an die Alte Schule und die dortigen Räumlichkeiten als Jugendclub oder Wohnung für Flüchtlinge zu verwenden. Als Ablehnungsgrund wird immer wieder angeführt, die Sterntalerschule habe abgelehnt, zur Schule mit Ganztagsangebot zu werden. Verwechselt werden dabei aber Ursache und Wirkung, übersehen wird, dass die Gemeinde einen wesentlichen Beitrag zur Ursachenbeseitigung leisten könnte. Die derzeitigen, isolierten Planungen nutzen das vorhandene Potential nicht aus und verschwenden letztlich Geld.
Frage: Damit kommen wir zur Finanzsituation. Ihr hattet die Koalition mit der SPD 2011 nicht fortgesetzt, weil ihr euch in Finanzfragen nicht einigen konntet. Wie sieht es heute aus?
WS: Stimmt, es gab auf der Ausgabenseite einige Projekte, die wir als Grüne nicht mittragen wollten, z.B. die Umgestaltung des Vorplatzes am Büdesheimer Rathaus unter Abriss der historischen Waage. Auf der Einnahmenseite hatten wir früh Erhöhungen der Grundsteuer ins Spiel gebracht, die neben der Gewerbesteuer die einzige signifikante Einnahmequelle ist, die von der Kommunalpolitik beeinflusst werden kann. Leider wurden die von uns beantragten Erhöhungen zunächst abgelehnt, zuletzt zum Nachtragshaushalt 2013 eine Erhöhung um 75 Prozent-Punkte. Erst 2014 kam, unter dem Druck der Kommunalaufsicht, eine Erhöhung um 65 Punkte. Jetzt, für 2016, fällt die Erhöhung um erneut 200 auf 590 Punkte dafür umso heftiger aus.
MG: Auch wir erhöhen natürlich nicht gern die Steuern, aber es ist doch allemal besser, das zu tun, was in unserem eigenen Handlungsspielraum liegt, als immer nur auf das Land oder den Bund zu zeigen, von diesen Ebenen mehr Geld zu verlangen und sich nicht darum zu kümmern, wo diese das Geld herbekommen. Außerdem reicht ein Blick in den Haushalt, um zu erkennen, dass hier Handlungsbedarf besteht, dafür hätten wir nicht auf den Druck der Kommunalaufsicht warten müssen.
Frage: Das heißt aber doch, dass die Unterschiede, die zu einem Ende der Koalition mit der SPD geführt hatten, geringer geworden sind?! Ist eine Neuauflage aus eurer Sicht denkbar?
WS: Wie Marina gesagt hat, das politische Klima in Schöneck ist atmosphärisch gut, mit allen Parteien kann zusammen gearbeitet werden. In der ablaufenden Wahlperiode gab es keine festen Koalitionen. Wir haben mal mit dieser, mal mit jener Partei abgestimmt, oder auch gemeinsame Anträge gestellt. Entscheidend für eine Koalition ist, wieviel unserer Grünen Politik wir darin verankern können. Dazu gehören unter anderem die in diesem Gespräch aufgeführten Punkte: Solide Finanzen, klares Bekenntnis für Maßnahmen im Klimaschutz, integrierte Planungen anstatt isolierte Einzelmaßnahmen.